Die chinesische Autorin Amy Chua lebt in Amerika und zeichnet auf 250 vergnüglich zu lesenden Seiten ein faszinierendes Bild vom Bemühen einer chinesischen Mutter keinesfalls im westlichen Bildungsbürgerstandard zu versinken.

„Die Mutter des Erfolgs“ zeigt mit einem gehörigen Maß Selbstironie und ehrlicher Reflexion mit welcher kämpferischen Strenge und Disziplin Kinder zur Selbstwirksamkeit erzogen werden können.
Amy Chua sorgt natürlich weltweit für Diskussionen. Immerhin verfolgt sie einen strengen disziplinierenden Erziehungsstil. Kann dieser chinesische Erziehungsstil auch deutschen Pädagogen wertvolle Impulse geben, um aus einem festgefahrenen Streit über die Konsequenzen der dramatischen Ergebnisse internationaler Vergleichsstudien zu kommen?
Amy Chua ist Juraprofessorin in Yale und zweifache Mutter. Ihre Kinder will sie zum Erfolg erziehen – mit allen Mitteln. Und gemäß den Regeln ihrer Wurzeln in China ist Erfolg nur mit härtester Arbeit zu erreichen. Sie beschließt, dass ihre Töchter als Musikerinnen Karriere machen sollen. Nun wird deren Kindheit zur Tortur. In ihrem Erlebnisbericht erzählt die Autorin fesselnd, witzig und mit kluger Offenheit von einem gnadenlosen Kampf, der ihr und ihren Töchtern alles abverlangte: ein packendes und hochkomisches Buch über Familie und Erziehung, über Leistungsdruck und über den Willen, unbedingt zu siegen.
Amy Chua berichtet in ihrem autobiographisch angelegten Buch nicht nur über die Erziehung ihrer 2 Töchter. Sie lässt den Leser tief in die Denkkultur einer chinesischen Einwandererfamilie der zweiten Generation einblicken. Sie verbindet klassische chinesische Familienvorstellungen mit den amerikanischen Werten von Disziplin, Achtung und Leistungsorientierung.
Hinter den teilweise panischen Bemühungen um den Erfolg ihrer Töchter steckt, wie Amy Chua schreibt, die Furcht, ihre Familie könnte absteigen. Die „erste Generation“ der Einwanderer Amerikas arbeiten noch im Durchschnitt 14 Stunden am Tag und schaffen es so nach oben: in den gehobenen amerikanischen Mittelstand. Die zweite Generation hält die Stellung und baut sie aus (Eigentumshaus, zwei Autos, Urlaubsreisen). Die dritte Generation legt sich auf die faule Haut und verschleudert so den mühsam erarbeiteten Reichtum. Dieser Angst, dass ihre Töchter einer extremen Leistungsgesellschaft nicht gewachsen sein könnten begegnet sie mit drastischen Mitteln erzieherischer Konsequenzen.
Eine erzieherische Schlüsselszene über Konsequenzen zeigt sich am Beispiel der Zurückweisung von selbst gemachten Geburtstagskarten ihrer Töchter. Hier verdeutlicht die Autorin ihren hohen Anspruch an zukünftige Handelsvorstellungen ihrer Kinder. Aufmerksamkeit und Zuwendung zeigen sich im Vorbild des Erziehenden, keinesfalls liegt die Entscheidung darüber im Horizont des zu Erziehenden.
„Ich finde es idealistisch von Kindern zu erwarten, dass sie von allein darauf kommen, was richtig ist.“ (Amy Chua „Die Mutter des Erfolgs“, S. 115)
Das Buch liefert einen Beitrag zur aktuellen bildungspolitischen Debatte um einen möglichen Weg moderner Familienerziehung. Die vielgestaltige Perspektive der Erziehungsversuche einer chinesischen Mutter in Amerika liefern Erfahrungsbeschreibungen über Normen, Werte und Einstellungen als Richtgrößen des sozialen Handelns. Die Autorin hat sowohl für orientierungssuchende Eltern als auch Pädagogen wichtige Vergleiche angeboten eigenes Handeln zu reflektieren. In schonungsloser und sensibler Weise stellt Amy Chua eigene Erfahrungen und die Analyse ihres teilweisen Scheiterns zur Verfügung. Ich empfinde das Buch als mutige Veröffentlichung eines Denkmodells chinesischer Migranten mit dem Willen keine Fehler im Aufrechterhalten ihrer Identität zu machen.
Mein Prädikat: Sehr lesenswert
Dr. Rainer Gerke